Messer - No future days
Veröffentlicht am: 14. Februar 2020
6,00 €*
% 10,00 €* (40% gespart)Tracklist
01. Das verrückte Haus
02. Der Mieter
03. Tapetentür
04. Anorak
05. Tiefenrausch II
06. Tod in Mexiko
07. Die Frau in den Dünen
08. Stern in der Ferne
09. Versiegelte Zeit
02. Der Mieter
03. Tapetentür
04. Anorak
05. Tiefenrausch II
06. Tod in Mexiko
07. Die Frau in den Dünen
08. Stern in der Ferne
09. Versiegelte Zeit
Beschreibung
Messer sind wieder da. Pünktlich zum zehnten Bandjubiläum markiert ihr viertes Album eine musikalische Rückkehr zu den Wurzeln, blickt aber dennoch in die Zukunft. Das ist kein Widerspruch, sondern eine künstlerische Strategie, die so vielschichtig ist wie der Albumtitel: No Future Days verweist zunächst auf CAN als Urväter einer eigenständigen deutschen Pop-Musik, ebenso darf man an den nihilistischen Kampfruf des Punks denken. Und doch werden solche Assoziationen zugleich negiert.
Messer nämlich machen ihr eigenes Ding, das erheblich komplexer und tiefgehender ausfällt als man auf den ersten Blick glauben könnte. Zum Beispiel das Cover, auf dem erstmals die vier Musiker zu sehen sind: Es ist der clevere Verweis auf eine surrealistische Fotografie Man Rays, die dieser von Marie-Berthe Aurenche, Max Ernst, Lee Miller und sich selbst machte. Auch dort sehen wir: vier gänzlich unterschiedliche Kunstschaffende, eng umschlungen zwischen herzlicher Umarmung und Würgegriff.
Dokumentierte der Vorgänger Jalousie von 2016 eine Band, die damals nicht genau wusste, wie und in welche Richtung es mit ihr weitergehen würde, so entpuppt sich No Future Days als ein Album, auf dem die durch Manuel Chittkas Weggang wieder als Quartett spielenden Messer nun in klassischer Bandkonstellation auf musikalische Reduktion setzen. Das hört und spürt man: Der Sound ist deutlich kompakter und homogener als zuvor, die Stimme von Sänger Hendrik Otremba bewegt sich nicht im Vordergrund, sondern integriert sich mehr denn je in eine Klangwelt, die Bassist Pogo McCartney, Gitarrist Milek und Drummer Philipp Wulf durch ihr dichtes Zusammenspiel hervorbringen.
So etwa auf dem energetischen „Die Frau in den Dünen“, wo die Wire-artigen Gitarren geradezu euphorisch vorwärtsdrängen, während Otrembas Stimme vor diesem Wall-of-Sound eine kafkaeske Vision einer Welt aus Sand beschwört. Wie ein Hohepriester der Rockmusik wirkt er auch auf dem herausragenden „Tapetentür“, über dessen insistierenden Rhythmus Otremba mit prophetischem Pathos über das unerbittliche Vergehen der Zeit singt.
Die Reflexion von Zeit ist überhaupt eines der Kernthemen dieses faszinierenden Albums. Es wimmelt in den Texten nur so von Häusern, Zimmern, Kellerlöchern, Fenstern und dergleichen, denn unser Gedächtnis perspektiviert Erinnerungen immer räumlich: „Vergangenheit, das sind ja nur verschiedene, nach einer höheren Stereometrie ineinander verschachtelte Räume.“ (W.G. Sebald in Austerlitz)
Mustergültig zeigt sich das im Opener „Das verrückte Haus“, dessen Text Otremba im Dialog mit dem Bassisten Pogo geschrieben hat, der in dieser Zusammenarbeit einen familiären Verlust verarbeitet: Sänger und Bassist führten ein Gespräch an einem Fragebogen à la Pina Bausch, um zu einer unverbrauchten Motivwelt zu finden. Eine kleine Topografie der Kindheit wird so in assoziativ verschränkten Erinnerungsbildern evoziert, während die Drums dumpf wummern und die Gitarren hell klirren. Ein Gang durch die Kindheit als Hausbesichtigung der Erinnerungsfragmente schließlich zeigt auf: das Haus ist verschoben.
Erkennbar an jener Schwellenzeit zwischen den 1970er- und 80er Jahren inspiriert, in welcher der britische Post-Punk den Dub und den Reggae umarmte, steht die Produktion von „Anorak“ symptomatisch für die musikalische Entwicklung von Messer. „Anorak“, bereits im Herbst 2019 als Vorabsingle samt B-Seite „Die Furcht“ erschienen, zeigt deutlich auf, wie souverän sich die Band aus dem großen Archiv der Poptradition bedient, ohne ihre im Verlauf der letzten Dekade erarbeitete Vision eines selbständigen Sounds zu verraten.
No Future Days zeigt in diesem Sinne eindringlich, wie wenig das alte Label des Post Punk-Revivals, das sie vor vielen Jahren mit heraufbeschworen, noch auf die Münsteraner passt. Ein offenkundiger Beweis hierfür ist „Tod in Mexiko“, die durch ihre feine elektronische Produktion mit Synthesizer und Vocoder besticht, und textlich subtil auf den österreichisch-jüdischen Surrealisten Wolfgang Paalen anspielt, dessen Exil in Mexiko 1959 mit einem Kopfschuss endete.
Erstmals in der Bandgeschichte entstand die Musik dabei komplett vor den anspielungsreichen, poetisch vielschichtigen Texten von Otremba, der mit seinem aktuellen Roman Kachelbads Erbe im Literaturbetrieb Erfolge feiert. Während der Sänger also noch schrieb, legten seine Mitstreiter in Münster neue Klangfacetten frei, produzierte das Album unter der Regie von Bassist McCartney im eigenen Studio selbst, was nun einen geweiteten Blick auf die Klang- und Gefühlswelt der Gruppe Messer zulässt. So ist klar erkennbar, dass das Album, wie Otremba erklärt, „mehr mit uns persönlich zu tun hat, als frühere Platten, mehr auch ein Album über uns als Band ist.“
No Future Days ist somit eine ideale Gelegenheit, Messer näher besser kennenzulernen – oder eben eine erneute, beeindruckende Veränderung zu beobachten.
–Uwe Schütte
„Zukunft und Vergangenheit, Prä-Artpop und Post-Punk. Messer zerschneiden das typische Postpunk-Muster und fügen in die Ritzen ziemlich schwingende Dub-Vibes ein. Durch die Tracks ziehen sich immer wieder Bilder von Häusern, Zimmern,
Fenstern, Tapetentüren oder Kellerlöchern. In diesen hausen dann ziemlich verwinkelt und vertrackt die Geister von deutschen
Bands wie Can, Palais Schaumburg oder die der frühen bzw. funkigen Die Sterne."
(Kerstin Kratochwill, Tonspion 11.2.20)
„Was einem auf dem vierten Album zuerst in die Ohren dringt, ist eine massive Ballung von Kälte-, Isolations- und Verfallsbeschreibungen. Leere allerorten, und eine Stimme, die sich gegen all das wehrt, indem sie es beschreibt. Messer spielen einen durchkomponierten Wave-Postpunk (…) der Punk-Traditionen aufruft (und im Titel nebenbei an ein altes Can-Album erinnert).“ (Benjamin Moldenhauer, Spiegel Online 13.2.2020)
„Wie kaum eine andere Gruppe haben Messer den Wirkungen der deutschsprachigen alternativen Popmusik ihren Stempel aufgedrückt, beim neuen Album gehen sie noch einen Schritt weiter. Zurück zum Beton geht´s, zum Neonlicht, aber irgendwie Verrückter, mehr Dub, mehr Reggae. Klar, immer noch Postpunk, aber mit anderen Mitteln. Musikalische Reduktion durch Genre-Expansion.“ (Dominik Oswald, The Gap)
Messer geistern auf ihrem vierten Album mit dubbig-tanzbarem Post-Punk durch symbolisch aufgeladene Orte in Richtung Erinnerung. No Future Days ist die Platte für eine vergangenheitsvergessene Gegenwart.“ (Sebastian Lessel, Spex 13.2.2020, Album der Woche)
„Die krautige Post-Punk-Band Messer arbeiten weiter am Abrissprojekt des deutschen Punk. Vergeblich wird man versuchen, die Band über ihre Referenzen zu dechiffrieren. Messer haben es geschafft, trotz realistischer Dichtung vergleichsweise weit entfernt von Schlüsselwerken zu sein.“ (Lars Fleischmann, taz 13.2.2020)
„Make Nihilismus great again: Der Postpunk aus Münster ist in seiner fortgeschrittenen Verfeinerungsphase angekommen.“(Thomas Winkler, Musikexpress 3/20, 4 Sterne)
„Messer klingen insgesamt kompakter und grooveorientierter, entwickeln ihren sehr eigenen Postpunksound weiter, indem
sie sich auf die Wendezeit zwischen den 1970er und 80er Jahren beziehen, und diesen Übergang für das musikalische Jetzt
neu durchspielt.“ (Carsten Schrader, Kulturnews 3/20)
VÖ: 14. Februar 2020
Messer nämlich machen ihr eigenes Ding, das erheblich komplexer und tiefgehender ausfällt als man auf den ersten Blick glauben könnte. Zum Beispiel das Cover, auf dem erstmals die vier Musiker zu sehen sind: Es ist der clevere Verweis auf eine surrealistische Fotografie Man Rays, die dieser von Marie-Berthe Aurenche, Max Ernst, Lee Miller und sich selbst machte. Auch dort sehen wir: vier gänzlich unterschiedliche Kunstschaffende, eng umschlungen zwischen herzlicher Umarmung und Würgegriff.
Dokumentierte der Vorgänger Jalousie von 2016 eine Band, die damals nicht genau wusste, wie und in welche Richtung es mit ihr weitergehen würde, so entpuppt sich No Future Days als ein Album, auf dem die durch Manuel Chittkas Weggang wieder als Quartett spielenden Messer nun in klassischer Bandkonstellation auf musikalische Reduktion setzen. Das hört und spürt man: Der Sound ist deutlich kompakter und homogener als zuvor, die Stimme von Sänger Hendrik Otremba bewegt sich nicht im Vordergrund, sondern integriert sich mehr denn je in eine Klangwelt, die Bassist Pogo McCartney, Gitarrist Milek und Drummer Philipp Wulf durch ihr dichtes Zusammenspiel hervorbringen.
So etwa auf dem energetischen „Die Frau in den Dünen“, wo die Wire-artigen Gitarren geradezu euphorisch vorwärtsdrängen, während Otrembas Stimme vor diesem Wall-of-Sound eine kafkaeske Vision einer Welt aus Sand beschwört. Wie ein Hohepriester der Rockmusik wirkt er auch auf dem herausragenden „Tapetentür“, über dessen insistierenden Rhythmus Otremba mit prophetischem Pathos über das unerbittliche Vergehen der Zeit singt.
Die Reflexion von Zeit ist überhaupt eines der Kernthemen dieses faszinierenden Albums. Es wimmelt in den Texten nur so von Häusern, Zimmern, Kellerlöchern, Fenstern und dergleichen, denn unser Gedächtnis perspektiviert Erinnerungen immer räumlich: „Vergangenheit, das sind ja nur verschiedene, nach einer höheren Stereometrie ineinander verschachtelte Räume.“ (W.G. Sebald in Austerlitz)
Mustergültig zeigt sich das im Opener „Das verrückte Haus“, dessen Text Otremba im Dialog mit dem Bassisten Pogo geschrieben hat, der in dieser Zusammenarbeit einen familiären Verlust verarbeitet: Sänger und Bassist führten ein Gespräch an einem Fragebogen à la Pina Bausch, um zu einer unverbrauchten Motivwelt zu finden. Eine kleine Topografie der Kindheit wird so in assoziativ verschränkten Erinnerungsbildern evoziert, während die Drums dumpf wummern und die Gitarren hell klirren. Ein Gang durch die Kindheit als Hausbesichtigung der Erinnerungsfragmente schließlich zeigt auf: das Haus ist verschoben.
Erkennbar an jener Schwellenzeit zwischen den 1970er- und 80er Jahren inspiriert, in welcher der britische Post-Punk den Dub und den Reggae umarmte, steht die Produktion von „Anorak“ symptomatisch für die musikalische Entwicklung von Messer. „Anorak“, bereits im Herbst 2019 als Vorabsingle samt B-Seite „Die Furcht“ erschienen, zeigt deutlich auf, wie souverän sich die Band aus dem großen Archiv der Poptradition bedient, ohne ihre im Verlauf der letzten Dekade erarbeitete Vision eines selbständigen Sounds zu verraten.
No Future Days zeigt in diesem Sinne eindringlich, wie wenig das alte Label des Post Punk-Revivals, das sie vor vielen Jahren mit heraufbeschworen, noch auf die Münsteraner passt. Ein offenkundiger Beweis hierfür ist „Tod in Mexiko“, die durch ihre feine elektronische Produktion mit Synthesizer und Vocoder besticht, und textlich subtil auf den österreichisch-jüdischen Surrealisten Wolfgang Paalen anspielt, dessen Exil in Mexiko 1959 mit einem Kopfschuss endete.
Erstmals in der Bandgeschichte entstand die Musik dabei komplett vor den anspielungsreichen, poetisch vielschichtigen Texten von Otremba, der mit seinem aktuellen Roman Kachelbads Erbe im Literaturbetrieb Erfolge feiert. Während der Sänger also noch schrieb, legten seine Mitstreiter in Münster neue Klangfacetten frei, produzierte das Album unter der Regie von Bassist McCartney im eigenen Studio selbst, was nun einen geweiteten Blick auf die Klang- und Gefühlswelt der Gruppe Messer zulässt. So ist klar erkennbar, dass das Album, wie Otremba erklärt, „mehr mit uns persönlich zu tun hat, als frühere Platten, mehr auch ein Album über uns als Band ist.“
No Future Days ist somit eine ideale Gelegenheit, Messer näher besser kennenzulernen – oder eben eine erneute, beeindruckende Veränderung zu beobachten.
–Uwe Schütte
„Zukunft und Vergangenheit, Prä-Artpop und Post-Punk. Messer zerschneiden das typische Postpunk-Muster und fügen in die Ritzen ziemlich schwingende Dub-Vibes ein. Durch die Tracks ziehen sich immer wieder Bilder von Häusern, Zimmern,
Fenstern, Tapetentüren oder Kellerlöchern. In diesen hausen dann ziemlich verwinkelt und vertrackt die Geister von deutschen
Bands wie Can, Palais Schaumburg oder die der frühen bzw. funkigen Die Sterne."
(Kerstin Kratochwill, Tonspion 11.2.20)
„Was einem auf dem vierten Album zuerst in die Ohren dringt, ist eine massive Ballung von Kälte-, Isolations- und Verfallsbeschreibungen. Leere allerorten, und eine Stimme, die sich gegen all das wehrt, indem sie es beschreibt. Messer spielen einen durchkomponierten Wave-Postpunk (…) der Punk-Traditionen aufruft (und im Titel nebenbei an ein altes Can-Album erinnert).“ (Benjamin Moldenhauer, Spiegel Online 13.2.2020)
„Wie kaum eine andere Gruppe haben Messer den Wirkungen der deutschsprachigen alternativen Popmusik ihren Stempel aufgedrückt, beim neuen Album gehen sie noch einen Schritt weiter. Zurück zum Beton geht´s, zum Neonlicht, aber irgendwie Verrückter, mehr Dub, mehr Reggae. Klar, immer noch Postpunk, aber mit anderen Mitteln. Musikalische Reduktion durch Genre-Expansion.“ (Dominik Oswald, The Gap)
Messer geistern auf ihrem vierten Album mit dubbig-tanzbarem Post-Punk durch symbolisch aufgeladene Orte in Richtung Erinnerung. No Future Days ist die Platte für eine vergangenheitsvergessene Gegenwart.“ (Sebastian Lessel, Spex 13.2.2020, Album der Woche)
„Die krautige Post-Punk-Band Messer arbeiten weiter am Abrissprojekt des deutschen Punk. Vergeblich wird man versuchen, die Band über ihre Referenzen zu dechiffrieren. Messer haben es geschafft, trotz realistischer Dichtung vergleichsweise weit entfernt von Schlüsselwerken zu sein.“ (Lars Fleischmann, taz 13.2.2020)
„Make Nihilismus great again: Der Postpunk aus Münster ist in seiner fortgeschrittenen Verfeinerungsphase angekommen.“(Thomas Winkler, Musikexpress 3/20, 4 Sterne)
„Messer klingen insgesamt kompakter und grooveorientierter, entwickeln ihren sehr eigenen Postpunksound weiter, indem
sie sich auf die Wendezeit zwischen den 1970er und 80er Jahren beziehen, und diesen Übergang für das musikalische Jetzt
neu durchspielt.“ (Carsten Schrader, Kulturnews 3/20)
VÖ: 14. Februar 2020