Fink - `ne Menge Leute - Boxset

Released on: 23 September 2022

Tonträger

Tracklist

1. Vogelbeobachtungen im Winter
Vinylfarbe: Orange

Seite A
01. Der richtige Ort
02. Meine Braut
03. Im Schatten
04. Oklahoma
05. Luisa
06. Runter von meinem Pferd
Seite B
01. Vielleicht
02. An meinem Platz
03. Herz aus Holz
04. Toter Mann
05. Du kennst mich nicht
06. Vogelbeobachtung im Winter
07. Schlaf gut ein

2. Loch in der Welt
Vinylfarbe: Grün

Seite A
01. Loch in der Welt
02. Diese Stelle
03. Hund
04. Als einer einmal nicht kam
05. Meine Ecke
06. Neuer Anzug
07. Fisch im Maul
Seite B
01. Sie wollen uns erzählen
02. Samstag
03. Strich in den Tag
04. Mann ohne Schmerzen
05. Wir werden sehen
06. Sag mir

3. Mondscheiner
Vinylfarbe: Blau

Seite A
 01. `ne Menge Leute
02. Ich kümmere mich darum
03. Er sieht sie an während sie ihn ansieht und er sieht zur Tür
04. Billiger Trick
05. Kaltes Huhn
06. Kleine grünes Haus
07. Stern
Seite B
01. So fass ich´s an
02. Jeder Tag
03. Dass sie weiss
04. Alles sagen
05. Strassen und Namen
06. Autobahn

4. Fink
Vinylfarbe: Weiß

Seite A
01. Die Richtung
02. Immerhinda
03. Ich wein` einen Fluss
04. Das Liebste
05. Wie ein Schiff
06. Ursa (Minor)
Seite B
01. (Ursa) Minor
02. Sieh mich nicht an
03. Messerkampf
04. Hund II
05. Letzte Nacht
06. Irgendwann Regen
07. Wenn du mich suchst

5. Haiku Ambulanz
Vinylfarbe: Gelb
Seite A
01. Fliegen
02. Kein schönes Lied
03. Kein Wagen
04. Shuffle & Kompott
05. Niemand gibt gern auf
06. Der Hahn
Seite B
01. Wo geht das Licht an
02. Wohin du gehst
03. Sonne nicht gesehen
04. Haiku Ambulanz
05. Die Eine
06. Talking Drum Blues
07. An dich werd` ich denken

6. Bam Bam Bam
Vinylfarbe: Rot

Seite A
01. Bam Bam Bam
02. Doppel-Hopp
03. Durchreise
04. Hüftschwung
05. Dies für dich
06. Totes Pferd
Seite B
01. Shake de Birds off de Tree
02. Eismann
03. So fährt der Zug ab
04. Vorbei
05. Ja Ja Ja
06. Manchmal
07. Eismanns Veranda

Beschreibung

Das komplette Fink-Repertoire (6 Alben) aus den Jahren 1997 bis 2005 erscheint 25 Jahre nach dem Debütalbum „Vogelbeobachtung im Winter“ und 10 Jahre nach dem Tod von Band-Mastermind Nils Koppruch endlich in einer Werkschau. All das in einer VinylBox mit Booklet im LP-Format. Die sechs Alben wurden von Chris von Rautenkranz (Soundgarden) für die Vinyl-Pressungen neu remastert. Die Alben kommen in farbigem Vinyl: Orange, Gelb, Grün, Blau, Weiß und Rot. das Boxset ist limitiert auf 500 Exemplare.

Von Jan Freitag
Wer im Werk großer Poeten nach Stellen sucht, die es mit einer Strophe, einem Refrain, drei Zeilen allein zum Ausdruck bringen, wird schon deshalb selten fündig, weil große Poeten viel zu viel verfassen, um besondere Tropfen im Meer ihrer kreativen Ergüsse zu finden. Auch das poetische Repertoire von Nils Koppruch lässt sich deshalb nur schwer auf Details reduzieren; dafür hat seine wechselnd besetzte Band unseren Wortschatz einfach zu sprachgewaltig nach Alltagsweisheiten durchwühlt. Dennoch sagen diese drei Zeilen vom dritten Album „Mondscheiner“ ein bisschen mehr über den Sänger von Fink aus als andere.
 Ne Menge Eckensteher kennen mein Gesicht
und wenn du die fragst,
sagen sie woanders gibt’s das nicht
Das klingt jetzt vielleicht gar nicht so spektakulär, aber wenn Nils Koppruch mit seiner trotzigen Stimme über somnambule Gitarren wie aus schwarzweißen Krimizeiten hinweg nölt, was er so alles von „Karten fürs Theater und ‘ne Maske fürs Gesicht“ bis „günstige Sardinen und ‘ne Waffe für fünf Mark“ besorgen könne, wird das Werk dieses großen Poeten in aller Dunkelheit klarer. Die Eckensteher mögen schließlich abseits der breiten Masse in Koppruchs Kuriositätenkabinett wühlen. So trüb das Licht fernab der Rampenlichter aber auch ist: man findet bei Fink Dinge, die es nur dort gibt.
Dummerweise findet man sie bislang nur bruchstückhaft. Denn als Fink den deutschsprachigen Indierock vor ziemlich genau 25 Jahren um eine Spielart erweitert, auf die – um ehrlich zu sein – damals kaum jemand gewartet hatte, beherrscht ein rundlicher Despot den Tonträgermarkt, der zwar silbrig schön, aber leicht seelenlos schimmert und aus Sicht analoger Connaisseurs auch klingt. Für Finks lagerfeuerwarmen Alternative-Country, mit dem die Band um Bassist Andreas Voss Koppruchs Eckensteher-Poesie umspielt, war die kühle CD das denkbar unpassendste Medium. Leider gilt Vinyl 1997 als so klinisch tot, dass die ersten zwei Alben gar nicht darauf gepresst werden und die vier folgenden in spärlicher Zahl.
Grund genug also, das wegweisend abseitige Fink-Repertoire endlich mit einer Werkschau zu würdigen, die auch materiell wertiger ist als in den digital angeblich besseren Neunziger- bis Nullerjahren. Liebevoll remastered im Soundgarden des früheren Hamburger Schulhausmeisters Chris von Rautenkranz, legt das benachbarte Indie-Label Trocadero alle sechs Fink-Platten als 12-Inches neu auf. Und nicht nur das: die ersten zwei erscheinen dabei sogar erstmals auf Vinyl und komplettieren damit eine Schmucksammlung für alte oder angehende Fans, in der sich ein Stück musikalische Zeitgeschichte widerspiegelt.
Von 1996 bis zu ihrer überraschenden Auflösung zehn Jahre später stehen Fink ja für weitaus mehr als die nostalgische Auffrischung eines angestaubten Genres aus Opas Plattenkiste. Ohne den geringsten Hauch Ironie haben Nils Koppruch und Andreas Voss dem drolligen Country-Kitsch der spießbürgerlichen Truck-Stop-Ära gemeinsam mit Gitarrist Thorsten Carstens und Drummer Hauke Evers tiefenentspannt das Folkloristische ausgetrieben und wie eine Handvoll amerikanischer Bands zuvor, Giant Sand vor allem oder die Violent Femmes, gleichsam entschlackt und gewürdigt. Dabei ist die Fallhöhe nicht zuletzt dank der deutschen Texte gewaltig. Fink federn sie seit jeher mit schwermütiger Leichtigkeit ab.
Das elegische Plattendebüt „Vogelbeobachtung im Winter“ spielt hier noch am harmoniebedürftigsten im Wüstensand traditioneller Westernsounds und passt damit perfekt ins Jahr vier vor 9/11, als Hedonismus und Sorglosigkeit selbst Punk und Metal weichspülen. Schon die sperrige Dramaturgie von „Loch in der Welt“ dagegen fasert 1998 in alternativeren Rock aus und korrigiert den eingeschlagenen Kurs spürbar auf „Mondscheiner“ zu. Auch hier wird Koppruchs räudige Melancholie zwar gerne von Steelguitar oder Banjo umflort. Dramaturgisch dagegen dreht der Wind nun unüberhörbar in Richtung einer sorgsam zerkratzten Großstadt-Americana mit Einflüssen aus Blues und Jazz, gar Funk oder Reggae. Der selbstbetitelte Nachfolger mit Tracks voller Flüssen und Schiffen wässert die Prärie zwar kurz mit dem maritimsten Element des Hamburger Heimathafens. Ihr hochkomplexes Spätwerk „Haiku Ambulanz“ aber segelt 2003 so weit ostwärts, dass Koppruchs markante Halsstimme in Songs wie „Kein schönes Lied“ oder „Niemand gibt gern auf“ nur noch schwer wiederzuerkennen ist.
Zwei Jahre später dann und nur eines vorm Ende, verweht der grüblerische Abschluss „Bam Bam Bam“ so konsequent in alle Himmelsrichtungen, dass Singer/Songwriting wie „Ja Ja Ja“ dem gemeinsamen Freund und Vorbild Hannes Wader näher rückt als einst Lambchop oder16 Horsepower. Klingt nach einer Entfremdung. Sie macht den Eckenstehern der Fangemeinde am Rande des Mainstreams jedoch ein Angebot eigensinnigen Folkrocks, das keine Referenzgrößen mehr hat außer sich selbst. All das nun in einer Vinylbox zu hören, von hinten nach vorn oder kreuz und quer, zeigt besser denn je, worin mal abgesehen vom Kiezkneipenbariton ihrer viel zu früh verstorbenen Herzkammer das Alleinstellungsmerkmal von Fink besteht: auf unkalkulierbare Art und Weise vertraut zu klingen.
Dieses kleine große Kunststück gelingt der Band um den malenden Sänger Nils (oder singenden Maler SAM) Koppruch, dass einem beim Durchhören aller 77 Stücke vor Wehmut gelegentlich die Tränen kommen. „Im Schatten im Schatten ist’s kalt / wo die Sonne nicht hin scheint / fröstelst du bald“, heißt es zu Beginn von „Vogelbeobachtung im Winter“. Fink meinen damit das Ende einer Liebesbeziehung. Sechs klanglich überarbeitete Platten im aufwändigen Colored Vinyl aber beweisen: dieser Schatten ist vielleicht das wärmste Plätzchen auf Erden in frostiger Zeit.